Wie gehen wir mit Nutzungskonflikten um, die durch eine CO2-Speicherung unter der deutschen Nordsee entstehen können?
Neuer GEOSTOR-Workshopbericht fasst den aktuellen Sachstand zusammen und benennt ungeklärte Fragen und Handlungsbedarfe
Abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) tief unter dem Meeresboden der deutschen Nordsee zu speichern, wird Raum in Anspruch nehmen – zum einem im Meeresuntergrund selbst, zum anderen auch am Meeresboden sowie unter Umständen in der Wassersäule und an der Meeresoberfläche.
Da die deutsche Nordsee heute bereits vielseitig genutzt wird und künftig noch intensiver genutzt werden soll, zum Beispiel durch den Ausbau der Windenergiegewinnung, sind Überschneidungen der Gebiete einer künftigen CO2-Speicherung im Meeresuntergrund und anderer, oberflächennaher Nutzungen am selben Ort unvermeidbar. Gleichzeitig muss beachtet werden, dass die Meeresgebiete wichtige Funktionen als Natur- und Lebensräume erfüllen, die geschützt werden müssen.
Um genauer zu erörtern, welche Konflikte mit anderen Nutzungen des Meeresgebietes oder dem Meeresschutz durch eine CO2-Speicherung im Meeresuntergrund entstehen können und wie sich diese vermeiden oder lösen lassen, haben Forschende des CDRmare-Verbundprojektes GEOSTOR am 11. Oktober 2023 den Fachworkshop „CO2-Speicherung im Meeresgebiet – Nutzungskonflikte und Einbeziehung in die Meeresraumplanung?“ im Geozentrum Hannover veranstaltet. Eingeladen dazu waren verschiedene Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Industrie und Forschung sowie von Behörden und Umweltverbänden.
Die vorgestellten Fachinformationen und die Diskussionsergebnisse des Tages hat das Organisationsteam jetzt in einem 47-seitigen Workshopbericht veröffentlicht. Interessierte können diesen ab sofort frei hier herunterladen.
Eine Diskussionsgrundlage für zukünftige Gespräche
Der Bericht liefert grundlegende Informationen zu den Voraussetzungen und Potenzialen einer CO2-Speicherung tief unter der deutschen Nordsee. Er beschreibt in Kürze die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür und erläutert den aktuellen Meeresraumordnungsplan sowie neue Entwicklungen in der Planung auf See. Außerdem geht er auf die Möglichkeiten und Herausforderungen einer Unterraumtageplanung ein, bevor er die Diskussionen zu einzelnen Nutzungskonflikten zusammenfasst und das Für und Wider der Einbeziehung einer CO2-Speicherung in die Meeresraumplanung erläutert.
„Die intensiven Diskussionen im Workshop motivieren uns, weiter gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie mit auftretenden Nutzungsinteraktionen für eine Umsetzung von CO2-Speicherprojekten unter der deutschen Nordsee umgegangen werden kann“, schreibt Workshop-Organisatorin Dr. Heike Rütters von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Die Kernaussagen in Kürze
Um für Konflikte geeignete Lösungsansätze oder Wege zu finden, wie damit umgegangen werden könnte, müssen insbesondere die Raumbeanspruchungen durch die einzelnen Meeresnutzungen und den Meeresschutz sowie die CO2-Speicherung und deren zeitliche und räumliche Überschneidungen im Detail betrachtet werden.
Konkrete Vorhaben im Meeresgebiet lassen sich grundsätzlich einfacher umsetzen, wenn die entsprechende Nutzungsform bereits in der Meeresraumplanung berücksichtigt ist. Für eine solche Berücksichtigung werden möglichst umfassende Erfahrungen mit dieser Nutzung sowie konkrete Erkenntnisse zu ihren möglichen Umweltauswirkungen in dem fraglichen Gebiet benötigt. Für eine CO2-Speicherung liegen solche Daten momentan nicht aus den deutschen Meeresgebieten vor, da hier bislang kein CO2 im Untergrund gespeichert wurde.
Bevor ein CO2-Speicherprojekt im Untergrund der deutschen Nordsee umgesetzt werden könnte, sind verschiedene Herausforderungen zu lösen. Dazu gehören insbesondere:
1) der Bedarf an rechtlichen Klarstellungen und Änderungen, insbesondere am Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG), um unter anderem eine CO2-Speicherung in Deutschland rechtlich grundsätzlich zu ermöglichen, wie es am 26.2.2024 vom BMWK vorgeschlagen wurde;
2) die Klärung rechtlicher und behördlicher Zuständigkeiten für die CO2-Speicherung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) sowie die Benennung der zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden (im Sinne des KSpG);
3) die Nutzung aktuell noch bestehender Möglichkeiten zur Erkundung des Untergrundes in Gebieten, in denen Windparks errichtet werden sollen – insbesondere mithilfe aktiver seismischer Messungen, da diese aus Platzgründen in Windparks nicht mehr möglich sein werden.
Den Bericht hier herunterladen
Rütters, H., Löschke, S. (2024): CO2-Speicherung im Meeresgebiet – Nutzungskonflikte und Einbeziehung in die Meeresraumplanung? – Bericht zum Fachworkshop des Forschungsverbundes GEOSTOR der Forschungsmission CDRmare am 11. Oktober 2023 im Geozentrum Hannover, GEOSTOR/BGR, Kiel/Hannover, 47 S., DOI: 10.3289/CDRmare.34