Einordnung: SPIEGEL-Artikel “CO2-Deponie in der Nordsee – Greenpeace wirft Forschern Befangenheit vor”

Gestern abend veröffentlichte SPIEGEL ONLINE einen Artikel, in dem Redakteurin Susanne Götze über Vorwürfe der Meeresschutzorganisation Greenpeace gegenüber dem  CDRmare-Forschungsverbund GEOSTOR berichtet. Im Kern geht es um den Greenpeace-Vorwurf, erdölfördernde Unternehmen hätten über die Mitarbeit im Beirat des GEOSTOR-Konsortiums einen Weg gefunden, Einfluss auf die Forschung zur CO2-Speicherung tief unter der deutschen Nordsee zu nehmen. In dem Artikel wird bemängelt, dass GEOSTOR zwar ausführliche Informationen zu den einzelnen Beiratssitzungen und deren Teilnehmerkreis veröffentlicht, es aber keine offizielle Mitgliederliste seines Beirates gäbe. 

Diese Kritik nehmen wir als Forschungsmission CDRmare ernst. Um die Informationslücke zu füllen, werden wir in den kommenden Tagen eine Liste der Beiratsmitglieder auf der GEOSTOR-Webseite veröffentlichen (online seit 7.11.24) und an selbiger Stelle auch noch einmal detaillierter erläutern, welche Aufgaben der Beirat hat und wer ihm wie beitreten kann.

Welche Aufgaben hat der Beirat des GEOSTOR-Konsortiums?

Das GEOSTOR-Konsortium forscht zu den Möglichkeiten einer CO2-Speicherung in Sandsteinformationen tief unter der deutschen Nordsee. Dabei geht es jedoch einzig und allein um CO2, welches in Unternehmen mit schwer vermeidbaren Restemissionen abgeschieden wurde, etwa in der Kalk- und Zementindustrie und bei der Abfallverbrennung. Diese Restemissionen müssen durch eine CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) verhindert oder durch eine gezielte CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) ausgeglichen werden, wenn Deutschland sein Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 erreichen möchte. Vermeidbare Emissionen hingegen müssen vermieden werden, das hat Vorrang. Diese Position teilen die neue, von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie zu CCS im Deutschland und auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seiner kürzlich erschienenen Stellungnahme zur Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes. 

Der Beirat des GEOSTOR-Konsortiums besteht bislang aus Behörden- und Industrie-Vertreter*innen, die unmittelbar an einer möglichen Realisierung von CCS in Deutschland beteiligt wären. Dazu gehören Firmen aus der Zementindustrie und Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen, in denen unvermeidbare Restemissionen anfallen, sowie Firmen, die CO2 im Untergrund der Nordsee speichern können. Welche Vertreter*innen auf den bisherigen vier Beiratssitzungen anwesend waren, hat das GEOSTOR-Team nach jedem einzelnen Treffen auf seiner Webseite veröffentlicht. 

Die Beiratssitzungen bieten den GEOSTOR-Forschenden die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse den Beiratsmitgliedern vorzustellen, Fragen der anwesenden Beiratsmitglieder zu beantworten und die Ergebnisse gemeinsam zu diskutieren. Der Beirat nimmt dabei jedoch keinen Einfluss auf die Auswertung oder Deutung der einzelnen Projektergebnisse. Die Verantwortung dafür liegt allein in den Händen der Forschenden. 

Für deren Arbeit gelten die gängigen wissenschaftlichen Qualitätsstandards. Studien müssen demnach im peer-review-Verfahren in Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Das heißt, sie werden vor einer Veröffentlichung durch unabhängige Wissenschaftler*innen begutachtet. Schwierig ist dies allein in den Rechtswissenschaften. Im deutschsprachigen Raum gibt es nur einige wenige juristische Fachzeitschriften mit einem etablierten peer-review-Verfahren. Eine Übersicht aller GEOSTOR-Fachpublikationen finden Sie hier. Außerdem veröffentlichen die GEOSTOR-Forschenden zu besonderen Anlässen wie wissenschaftliche Workshops dazugehörige Workshop-Berichte. Deren Inhalte werden nicht von unabhängigen Forschenden überprüft. Die inhaltliche Verantwortung tragen hier allein die jeweiligen Autor*innen. 

Wer kann eine Mitgliedschaft beantragen?

Behörden, Verbände, Unternehmen und Nichtsregierungsorganisationen, die an einer Mitgliedschaft im Beirat interessiert sind, können die Aufnahme durch eine schriftliche Interessensbekundung beantragen. Dazu schreiben Interessierte eine E-Mail an das GEOSTOR-Koordinationsteam. Ansprechpartner:innen sind Projektkoordinator Prof. Klaus Wallmann (kwallmann@geomar.de) und Projektmanagerin Kristin Hamann (E-Mail: khamann@geomar.de).

Wie wird über diesen Mitgliedsantrag entschieden?

Bislang haben das GEOSTOR-Koordinationsteam und der Beirat gemeinsam über die Aufnahme neuer Mitglieder entschieden. Das GEOSTOR-Koordinationsteam wird dieses Verfahren jedoch überarbeiten und dem Beirat eine klare Geschäftsordnung geben. In dieser wird klar geregelt sein, wie und anhand welcher Kriterien entschieden wird, wer in den Beirat aufgenommen wird und wie die Aufgaben, Rechte und Pflichten des Beirates im Detail aussehen. 

Den Entwurf dieser Geschäftsordnung werden wir auch den Mitgliedern des Nationalen CDRmare-Expert*innenforums vorstellen und Anmerkungen und Ergänzungen diskutieren und entsprechend berücksichtigen. Die Geschäftsordnung werden wir nach Fertigstellung auf der GEOSTOR- und CDRmare-Webseite veröffentlichen.

Im CDRmare-Expert*innen-Forum sind neben Bundesministerien und -ämtern auch Verbände und Nichtregierungsorganisationen vertreten. CDRmare-Expert*innen berichten in diesem Forum regelmäßig über ihre Aktivitäten, darunter auch Vertreter*innen des GEOSTOR-Konsortiums. Der Dialog mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gehört zu den Kernaufgaben der Forschungsmission CDRmare. Durch den Austausch im GEOSTOR-Beirat, im Nationalen CDRmare-Expertinnenforum sowie in vielen weiteren Dialogformaten tragen die die Wissenschaftler*innen zum Transfer ihrer Forschung und zur Schaffung eines gesellschaftlichen Mehrwertes bei.