Wie viel Kohlenstoff speichern Deutschlands Salzmarschen?
CDRmare-Expertinnen liefern erste Bestandsaufnahme
Die Hamburger Biologinnen Ella Logemann und Clarisse Gösele haben geschafft, was zuvor niemand gewagt hat. In monatelanger Feld- und Laborarbeit haben sie herausgefunden, wie viel Kohlenstoff Deutschlands Salzmarschen speichern und welche Treibhausgasmengen die Küstenökosysteme abgeben. Ihre Forschungsergebnisse werden nun helfen, zu entscheiden, ob und wo eine Wiederherstellung und Erweiterung der Salzmarschen aus Sicht des Klimaschutzes sinnvoll wären.
Warum ein Forschungsprogramm zur CO2-Entnahme ein Ethikteam braucht
Fragen der Gerechtigkeit
Als Philosoph und Klimaethiker nimmt Lukas Tank eine entscheidende Rolle innerhalb der Forschungsmission CDRmare ein. Gemeinsam mit zwei Kolleg:innen fasst er jene moralischen Überlegungen zu CO2-Entnahmemethoden in Worte, welche die meisten Menschen im Hinterkopf haben, jedoch nur selten aussprechen. Sich mit diesen impliziten Vorbehalten oder auch Argumenten für eine CO2-Entnahme auseinanderzusetzen, ist jedoch unerlässlich. Bestimmen sie doch maßgeblich, wie wir Methoden zur CO2-Entnahme bewerten und über mögliche Einsätze entscheiden werden.
Obwohl auf internationaler Ebene alle Weichen gestellt sind, ist es aufgrund rechtlicher Hürden in Deutschland bislang nicht möglich, abgeschiedenes Kohlendioxid tief unter dem Meeresboden der deutschen Nord- und Ostsee zu verpressen. Rechtswissenschaftler Lennart Westmark von der Universität Hamburg hat deshalb die Aufgabe übernommen, juristische Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Sein Ziel: Mehr Klarheit und Rechtssicherheit für den Fall, dass die Politik den Startschuss gibt für unterirdische CO2 -Speicherprojekte in deutschen Gewässern.
Mehr lokale Unterstützung für Projekte zur Wiederherstellung und Erweiterung von Seegraswiesen und Salzmarschen an deutschen Küsten
Auf den Aha-Moment kommt es an
Sollte sich Deutschland entschließen, seine Salzmarschen, Seegraswiesen und Tangwälder zu erweitern, um durch eine verstärkte Kohlendioxidaufnahme dieser Ökosysteme einen Teil seiner Restemissionen zu kompensieren, braucht es dafür die Unterstützung der Küstenbevölkerung. Unter welchen Voraussetzungen diese gewillt ist, entsprechende Projekte mitzutragen, und welche wirtschaftlichen Perspektiven sich daraus ergeben könnten, erforschen die Geographen Michael Fink, Sarah Rabe und Kremena Burkhard im Rahmen von CDRmare.
Technische Verfahren zur Alkalinitätserhöhung des Ozeans gelten als vielversprechende Methoden, um die natürliche Kohlendioxid-Aufnahme des Ozeans zu verstärken. Eine zentrale Frage aber kann die Wissenschaft bis heute nicht beantworten: Welche Auswirkungen hätten Eingriffe in die Meereschemie für die Lebewesen des Ozeans? Die Meeresbiologinnen Amrita Bhaumik, Leila Kittu, Giulia Faucher und ihr Team suchen auf Helgoland nach Antworten – mit Experimenten in Mesokosmen, in denen die Forschenden einen Einsatz alkalinitätserhöhender Verfahren so realitätsnah nachstellen wie selten zuvor. Ihr Ziel: die Auswirkungen auf die Meeresumwelt möglichst verlässlich abschätzen zu können.
Auf Island wird seit Jahren mit Kohlendioxid angereichertes Wasser in die obere Ozeankruste injiziert – und das erfolgreich. Das Kohlendioxid mineralisiert innerhalb kurzer Zeit und wird für Jahrmillionen fest gebunden. Da die Ozeankruste jedoch nur an wenigen Orten der Welt über den Meeresspiegel hinausragt, untersucht das Tiefsee-Konsortium der Forschungsmission CDRmare derzeit die Option, Kohlendioxid in geeigneter Basaltkruste in mittlerer bis großer Wassertiefe zu verpressen. Zwei der wichtigsten Forschungsprojekte liegen dabei in den Händen von Materialchemikerin Isabel Lange und Strömungsmodelliererin Isabel Kremin – ein Wissenschaftsduo, das sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt hat und kaum unter Druck setzen lässt.
Der Test einer neu entwickelten Auftriebspumpe vor der Küste Gran Canarias soll das große Finale für Jost Kemper werden. Endlich würde der 30-jährige Wissenschaftler aus dem CDRmare-Forschungsverbund zu künstlichem Auftrieb jene Messdaten erheben können, die er für die Qualitätskontrolle seines Strömungsmodells benötigt. Helfen soll ihm dabei ein neongrüner Farbstoff. Auf dem Meer aber kommt alles anders als geplant.
Als Biogeochemiker Wanxuan Yao vor einer schier unlösbaren Aufgabe steht, gibt er nicht auf, sondern zieht Nachwuchswissenschaftler:innen aus allen Teilen der CDRmare-Forschungsmission zu Rate. Gemeinsam gelingt, was allein unmöglich schien – eine erste Konzeption mariner Klimalösungen, mit denen Deutschland der Atmosphäre pro Jahr 10 Millionen Tonnen Kohlendioxid entnehmen könnte.