CCS-Infoveranstaltung: Die Aufzeichnung ist online

Die Aufzeichnung der gemeinsam von CDRmare und CDRterra organisierten Infoveranstaltung zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CCS) in Hannover ist jetzt online erhältlich. Das knapp 90 Minuten lange Video wurde soeben auf dem CDRmare-Youtube-Kanal veröffentlicht und steht von nun an allen Interessierten zur Verfügung.

Auf der CCS-Informationsveranstaltung standen Politikwissenschaftler Dr. Felix Schenuit, (Stiftung Wissenschaft und Politik), Geologe Prof. Dr. Klaus Wallmann (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) sowie Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Expertin für Bioenergiesysteme am Umweltforschungszentrum Leipzig, den mehr als 100 Gästen im Saal sowie online Rede und Antwort.

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Felix Schenuit: Strategien zur CO2-Abscheidung, -Entnahme und Speicherung müssen EU-weit gedacht werden

Felix Schenuit stellte zum Auftakt des Abends drei zentrale Botschaften zur Rolle der Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität vor. Demnach kann CCS kein Ersatz für drastische Emissionsreduktionen sein. „Auch wenn wir jetzt neue Technologien zur Verfügung haben oder in Zukunft haben werden, erlösen uns diese nicht von der Aufgabe, Emissionen drastisch zu reduzieren. Ihr Einsatz stellt vielmehr eine zusätzliche Herausforderung dar, um unsere Klimaziele zu erreichen “, sagte der Experte für europäische und deutsche Klimapolitik in seinem Kurzvortrag.

Im Anschluss erklärte er die verschiedenen Anwendungen von CCS und welche unterschiedlichen klimapolitische Funktionen und Ziele jeweils damit verbunden sind. „In der Carbon-Management-Politik bilden sich aktuell zwei Säulen heraus: Auf der einen Seite gibt es den Einsatz von CCS in der Industrie, wo das abgeschiedene Kohlendioxid fossilen Ursprungs ist. Auf der anderen Seite haben wir Methoden zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre – und es ist wichtig, klar zu kommunizieren, dass beide Säulen nicht die gleiche politische Funktion haben, wenn wir das Ziel der Treibhausgasneutralität erreichen wollen“, so Felix Schenuit.

Beim Thema CO2-Transport verwies er auf mögliche Konflikte, die entstehen könnten, wenn Regionen oder Industriecluster keinen Anschluss an das noch zu bauende CO2-Pipeline-Netz erhielten. Zudem betonte er, dass nach seiner Ansicht die Frage der öffentlichen Akzeptanz von CCS-Einsätzen noch nicht gelöst sei. „Gerade deshalb sind Veranstaltungen wie heute so wichtig, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen“, so der Wissenschaftler.

Zum Abschluss betonte er, dass Strategien zum großflächigen Einsatz von CCS EU-weit gedacht und gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden müssen. Das Ziel müsse ein europäischer Binnenmarkt für das Carbon Management sein. Auf diese Weise könnten zum einen grenzüberschreitende Industriecluster und Prozessketten gefördert werden. Zum anderen bestünde die Chance, neue CCS-Infrastrukturen gleich so zu planen und gegebenenfalls zu fördern, dass sie langfristig dazu beitragen können, negative Emissionen zu erzeugen – das heißt, der Atmosphäre mehr CO2 zu entnehmen als durch den Menschen freigesetzt wird.

Klaus Wallmann: Die Speicherkapazitäten unter der deutschen Nordsee reichen aus, um einen großen Teil des abgeschiedenen CO2 zu speichern

„Wir wissen noch nicht, wie viel CO2 Deutschland abscheiden und unterirdisch speichern werden muss, um seine Klimaziele zu erreichen. Schätzungen reichen von etwa 20 bis 69 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr 2045“, sagte Geologe Prof. Dr. Klaus Wallmann zum Auftakt seiner Einführung in die Machbarkeit einer CO2-Speicherung unter der deutschen Nordsee.

Er und sein Team aus dem CDRmare-Verbundprojekt GEOSTOR haben in den zurückliegenden 2,5 Jahren untersucht, wo im tiefen Untergrund der deutschen Nordsee, sich CO2 in geeigneten Sandsteinformationen verpressen ließe. „Die Speicherkapazitäten im Buntsandstein tief unter der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone belaufen sich auf 1 bis 6 Milliarden Tonnen CO2, doch ein Teil dieser Lagerstätten wird nicht zu erschließen sein, weil die Nordsee in diesen Gebieten für andere Zwecke genutzt wird – etwa für die Erzeugung von Windenergie oder aber für den Naturschutz“, so Klaus Wallmann in seinem Kurzvortrag. „Die verbleibenden Speicherkapazitäten reichen jedoch aus, um einen großen Teil der in Deutschland abgeschiedenen CO2-Menge unter der deutschen Nordsee zu verpressen“, ergänzte der Fachmann.

Anschließend ging er auf mögliche Sicherheitsrisiken einer CCS-Verpressung im Buntsandstein ein und erläuterte Forschungsergebnisse zur Erdgas-Leckage an alten Bohrlöchern und welche Auswirkungen ein solcher Gasaustritt für die Lebewesen am Meeresboden hat. „Nur 91 der rund 17000 Altbohrungen in der Nordsee befinden sich in der deutschen AWZ und an keiner haben wir Spuren eines Gasaustrittes feststellen können. Deshalb glauben wir, dass die Kohlendioxid-Speicherung tief unter der deutschen Nordsee sicherer wäre als in den Gewässern unserer Nachbarn, weil unser Meeresboden nicht so stark durchlöchert ist“, erläuterte Klaus Wallmann.

Die Kosten einer zukünftigen CO2-Speicherung unter der Nordsee wären am höchsten, wenn Deutschland sein CO2 zur Verpressung in die Nachbarländer exportieren würde. Am günstigsten wäre eine Verpressung an Land. Klaus Wallmann: „Allein in Niedersachen gibt es jedoch rund 10000 alte Bohrlöcher, von denen wir nicht wissen, ob sie dicht sind. Wir empfehlen deshalb, mit einer CO2-Speicherung unter dem Meer zu beginnen, zu prüfen, ob sie sicher durchgeführt kann und erst im Anschluss über eine Verpressung an Land nachzudenken.“

Bis zur ersten CO2-Verpressung unter der deutschen Nordsee müssen aber noch viele Vorerkundungen durchgeführt werden: „Im Gegensatz zu unseren Nachbarn haben wir noch keine seismischen Untersuchungen potentieller Speicherformationen durchgeführt und auch noch keine Erkundungsbohrungen. Wir werden demzufolge erst ab Mitte der 2030er Jahre so weit sein, CO2 tief unter der deutschen Nordsee verpressen zu können“, sagte Klaus Wallmann. Er kann sich aber auch vorstellen, dass mögliche CCS-Projekte an den hohen Kosten der Methode scheitern.

Daniela Thrän: Über die Umwandlung von Gärresten in Pflanzenkohle, ließe sich BECCS zeitnah in Deutschland als Entnahmemethode einsetzen

Im letzten der drei Kurzvorträge erläuterte Bioenergie-Expertin Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän die verschiedenen Verfahren, mit denen aus Pflanzenmaterial (Biomasse) Energie und Wärme gewonnen werden und das dabei freigesetzte Kohlendioxid abgeschieden werden kann (BECCS). „Die Verfahren und entsprechende Anlage gibt es im Grunde bereits. Die Frage ist nur, in welchem Umfang wir sie künftig in Deutschland nutzen können, um der Atmosphäre mithilfe der Pflanzen CO2 zu entnehmen, es abzuscheiden und einzulagern“, so die Expertin.

Bislang wird das größte BECCS-Entnahmepotential der Verbrennung von Holz in Heizkraftwerken zugeschrieben. „Besonders umweltverträgliche Verfahren wie die nachhaltige Bewirtschaftung wiedervernässter Moore in Paludikultur mit einer Nutzung der geernteten Schilfgräser, Rohrkolben oder Seggen in Biogasablagen werden nach bisherigen Berechnungen nur einen kleinen Anteil des BECCS-Gesamtpotentials ausmachen. Deshalb werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir die benötigte Biomasse nachhaltig erzeugen“, sagte Daniela Thrän. Aktuell fehlten auch noch die benötigten CO2-Transport-Netzwerke und -Lagerstätten, um BECCS in Deutschland im großen Stil anzuwenden.

Nichtsdestotrotz gäbe es eine Möglichkeit für Deutschland, BECCS zeitnah als CO2-Entnahmemethode zu nutzen. Daniela Thrän: „Bei der Biogasherstellung entstehen Gärreste, in denen etwa die Hälfte des ursprünglich in der Biomasse gebundenen Kohlenstoffs noch enthalten ist. Würden wir diese Gärreste in Pflanzenkohle umwandeln und auf unseren Äckern verteilen oder aber einlagern, könnten wir der Atmosphäre mithilfe von BECCS schon bald CO2 entnehmen.“